Es werden u. a. folgende Fragen diskutiert und einschlägige Rechtsprechung kritisch beleuchtet:
- Aussageanalyse. Woran ist eine glaubhafte Aussage festzumachen? Diese Frage stellt sich zum Beispiel für die Beurteilung einer Aussage (einer Partei oder eines Zeugen) zur Unfallschilderung in der Kaskoversicherung. Wie wird die subjektive Wahrheit festgestellt, wie Wahrnehmungs-, Erinnerungs- und Wiedergabefehler ausgeschlossen? Was gilt bei widersprechenden Aussagen?
- KG, Beschluss vom 5. Februar 2021 – 6 U 68/19, juris
- Beschwerdevalidierung. Wie kann die Schilderung subjektiver Beschwerden (zum Beispiel von Schmerzen oder Aufmerksamkeitsstörungen) validiert, also auf Glaubhaftigkeit überprüft werden? Diese Frage stellt sich zum Beispiel in der Krankentagegeldversicherung oder in der Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn Arbeitsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit im Wesentlichen auf subjektive Beeinträchtigungen gestützt werden. Welche Bedeutung haben hier Aussageanalyse und psychologische Testungen? Wie kann hier mit dem Anscheinsbeweis für typische Krankheitsentwicklung gearbeitet werden?
- Das ging zu weit: BGH, Urteil vom 14. April 1999 – IV ZR 289/97, r+s 1999, 344: Der Sachverständiger darf sich zum Nachweis des Beschwerdebildes auf die Beschwerdeschilderung stützen.
- Die OLGs griffen ein:
- OLG Saarbrücken, Urteil vom 7. April 2017 – 5 U 32/14, VersR 2018, 923: Erfordernis der Gesamtwürdigung, zu der u. a., aber nicht nur die Glaubhaftigkeit einer Beschwerdeschilderung gehört
- OLG Köln, Urteil vom 1. Oktober 2021 – 20 U 50/18, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 19. Mai 2010 – 5 U 91/08 – 10, r+s 2011, 77: Überprüfung der Beschwerdeschilderung mit den zur Verfügung stehenden Methoden und testpsychologischen Verfahren
- OLG Dresden, Urteil vom 5. November 2019 – 4 U 390/18, VersR 2020, 1124: Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten
- Was gilt bei lückenhafter Behandlungsdokumentation? Kommen die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen in Betracht? (BGH, Beschluss vom 21. September 2011 – IV ZR 95/10, VersR 2011, 1432).
- Abgrenzung der Beweismittel Zeugen oder Sachverständigen nach Bewertung (Diagnose, Leistungsfähigkeit etc. à Regime des Sachverständigen) und Befundtatsache (à Regime des ggs. sachverständigen Zeugen): BGH, Urteil vom 20. März 2007 – VI ZR 254/05, NJW 2007, 2122; OLG Braunschweig, Urteil vom 16. September 2020 – 11 U 122/18, NJW-RR 2020, 1358.
- Wie kann der leidensbedingte Berufswechsel in der Berufsunfähigkeitsversicherung nachgewiesen werden? (KG, Beschluss vom 7. Juli 2020 – 6 U 111/18, juris).
- Bedeutung der Leitlinien
- Leitlinie „Allgemeine Grundlagen der medizinischen Begutachtung“ (AWMF-Reg. Nr. 094-001)
- S2k-Leitlinie „Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen“ (AWMF-Reg. Nr. 051-029, Stand: 12/2019)
- S2k-Leitlinie „Ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen“ (Reg. Nr. 187-006)